Thomas von Steinaecker

Schutzgebiet

Roman
Cover: Schutzgebiet
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2009
ISBN 9783627001605
Gebunden, 380 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

1913. In der abgeschiedenen Festung Benesi in der deutsch-afrikanischen Kolonie Tola hat das Schicksal eine bunte Schar glücksuchender Auswanderer zusammengewürfelt: Den Holzhändler Gerber, den die Hoffnung auf neue Reichtümer in diese gottverlassene Gegend geführt hat. Seine Schwester, die schöne und geheimnisvolle Käthe, der nach einer Scheidung die Rückkehr nach Deutschland unmöglich ist. Schirach, den strammen Offizier, der aus seiner kleinen schwarzen Schutztruppe ein preußisches Heer machen will. Den drogensüchtigen Arzt Dr. Brückner sowie den Forscher Lautenschlager, der mit Tropenhelm und Plattenkamera nach unbekannten Eingeborenenstämmen sucht. Inmitten dieses Ensembles steht Henry, ein Schiffbrüchiger. Ein Sohn reicher Eltern ist er, doch öffnet ihm das hier, so fern der Heimat, keine Türen. Er muss seinem Schicksal auf die Sprünge helfen, und nimmt die Identität seines Chefs an, der bei dem Schiffsunglück ums Leben kommt. Unter fremdem Namen plant er als Architekt die Stadt, die in der Steppe entstehen soll, ein wahrlich chaotisches Unterfangen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.12.2009

Rezensentin Catharina Koller ist ziemlich angetan von der Idee und der Umsetzung dieses Roman, in dem sich Thomas von Steinaecker die deutsche Kolonialgeschichte in Afrika vorknöpft. Besonders gefällt der Rezensentin der paradoxe Effekt, dass im Kontext der erzählten Geschichte historisch Verbürgtes oft unglaubwürdiger und unwirklicher daherkommt als die offenkundigen, oft zugespitzten Fiktionalisierungen. Das Ergebnis dieses wechselseitigen Überblendung von Fakten und Klischees ist eine "literarische Fotocollage, schrill und schillernd". Die erste Anmutung ist nach dem Dafürhalten der Rezensentin die eines "Trash-Bergs". Doch je weiter sie in das Thema vordringt, desto mehr richtiges "Geschichtsbuchwissen" entdeckt sie darin. Ihr Fazit: Bei dem Roman handelt es sich um ein "grandios durchdachtes Gebilde".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.11.2009

In Burkhard Müllers Augen hat sich Thomas von Steinaecker "selbst ein Bein gestellt". Denn die an sich originelle und reizvolle Idee, einen deutschen Kolonialroman zu schreiben, hat er nach Müllers Meinung aufgrund zweier schriftstellerischer Fehlgriffe doch nicht ganz gelungen umgesetzt. Das sind auf der einen Seite die häufigen Exkurse, beispielsweise nach New York oder in den Bayerischen Wald, die für Müller nebensächlich sind und die Handlung unnötig aufbrechen. Zum anderen ist das die fehlende historische Erdung von Steinaeckers Geschichte. Schließlich imaginiert sich dieser seine deutsche Kolonie samt Tieren nur selbstmächtig zusammen und das müsse, wie Müller ausführt, "notwendig hinter dem zurückbleiben, was tatsächlich passiert ist". Dass Steinaecker ein ausgezeichneter Erzähler ist, will er am Ende aber auch gesagt wissen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.10.2009

Ein Kolonialroman, aber keiner von der großangelegt-epischen Sorte. Wenn er das so beschreibt, dann meint der Rezensent Andreas Platthaus das durchaus als Kompliment. Tola heißt die deutsche Kolonie, in die unter falschem Namen der wenig heroische Protagonist des Romans, Carl Peters, gelangt. Die Kolonie steht, von zwei Seiten bedrängt, vor dem Zusammenbruch. Verlierer unterschiedlicher Art haben sich dort, mit trügerischen Hoffnungen nach Afrika geraten, versammelt. In zunächst nicht sehr zusammenhängenden Episoden wird das Leben in der Stadt Benesi geschildert. Es gibt ein der Katastrophe entgegeneilendes Plantagenprojekt und manch anderes Ereignis, das, so Platthaus, als Allegorie auf die deutsche "Großmannssucht" taugt - und im übrigen an Martin Mosebachs Roman "Der Nebelfürst" erinnert. Voll und ganz überzeugend findet es der Rezensent, wie sich die vielen, zunächst sehr zerstreuten Einzelteile des Buchs am Ende doch zu einem sinnvollen Ganzen fügen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.10.2009

Mehr als einmal fühlt sich Nico Bleutge in Thomas von Steinaeckers neuem Roman über ein utopisches Stadtentwicklungsprojekt in einer fiktiven deutschen Kolonie in Afrika zu Beginn des 20. Jahrhunderts an Filmszenen oder Romane erinnert. Bald geht ihm auf, dass es sich hierbei um ein Konstruktionsprinzip handelt, das einen "existentiellen Kern" beinhaltet, nämlich, dass die Welt sich immer aus dem durch bestimmte Vorstellungen und Bilder vorgeprägten Bewusstsein ihrer Betrachter zusammensetzt. Deshalb findet der Rezensent auch die Darstellungsweise, die in personeller Erzählweise immer wieder von einer Figur in die nächste springt und so die je unterschiedliche Betrachtungsweise aus einer anderen Bewusstseinslage herausstreicht, auch so spannend. Ein bisschen sieht sich Bleutge durch die mitunter allzu klischeehafte Sprache der jeweiligen Erzähler irritiert, insgesamt aber überzeugt ihn der Roman, der mehr und mehr ins "Fantastische" kippt und der nach seiner Einschätzung nichts weniger eindrucksvoll vorführt, als die "Erprobung von Utopien".