Julien Green

Julien Green: Tagebücher 1990-1996

Cover: Julien Green: Tagebücher 1990-1996
List Verlag, München 1999
ISBN 9783471793985
Gebunden, 771 Seiten, 50,11 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen und mit einem Vorwort von Elisabeth Edl.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.09.2000

In einer Sammelrezension bespricht Ute Stempel folgende Publikationen des kürzlich verstorbenen Schriftstellers Julien Green:
1) "Adrienne Mesurat. Roman"
Das "höllische Geisterdunkel", in dem der zeitlebens in Frankreich lebende Amerikaner seine Romane getaucht hat, meint Ute Strempel, prägt auch diesen Roman. So lässt sich die in der Provinz lebenden Adrienne Mesurat einerseits von ihrem Vater tyrannisieren, andererseits von einer "erotischen Obsession", die sie für Liebe hält. Einen Ausweg daraus gibt es nicht, selbst der Mord am Vater ist keine "Erlösung", da sie letztlich in die "geistige Umnachtung" führt. Die "Seelendramen" Julien Greens erinnern die Rezensentin an Dostojewski und Kafka. Auch hier werden die "bedrohlich muffigen Szenerien" bedroht von einer verzehrenden "Glut des Bösen".
2) "Wenn ich du wäre. Roman"
Ein Büroangestellter schlüpft in die Körper anderer, von ihm beneideter Menschen, z.B. seines Chefs oder auch eines Mörders und eines Frauenhelden. Da er dadurch jedoch auch "mit der Seele des anderen gestraft" wird, zeigt sich der Ich-Verlust als zu hoher Preis. Mit einem "platten Schluss", findet Ute Strempel, nimmt Green hier die Unheimlichkeit und Radikalität seines Romans wieder zurück: alles war nur ein Fiebertraum. Interessant findet sie, dass die Psychoanalytikerin Melanie Klein schon 1947 diesen Roman als "Beleg für eine Studie über die Identitätsproblematik" nahm, was dem Autor durchaus nicht recht war.
3) und 4): "Tagebücher 1990 - 1996" und "Tagebücher "1996 - 1998"
Erstaunlich ist der Gegensatz, meint Strempel, den die "human gefilterten" Tagebücher des sehr zurückgezogen lebenden Green bilden zu den finsteren Leidenschaften, die seine Romane beherrschen. Hier gruselt sich Green, bei aller Gottesgewissheit, die ihn als zum Katholizismus Konvertierten auszeichnete, vor der Welt der Politik, vor Atomkraftwerken und Kinderarbeit, Schändung jüdischer Friedhöfe und kalten Kameraaufnahmen von sterbenden Kindern in Afrika. Diese Tagebücher, merkt Strempel an, gehören zu "den ausführlichsten und an Jahren umfassendsten der Literaturgeschichte". Erstaunlich findet sie, dass der Autor mit den Jahren nicht milder sondern eher immer schonungsloser mit der Welt ins Gericht gegangen ist. Jedoch "öffnen Greens Tagebücher keine Fenster in seine geheimsten Lebensträume", schreibt Strempel und zitiert seine Selbstaussage hierzu: `Mein wirkliches Tagebuch steckt in meinen Romanen.`
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.10.1999

Marc Zitzmann kann sich mit Greens Gedankengängen wahrlich nicht anfreunden. Greens apokalyptische Szenarien (von Killerbienen, Kometen, Wirbelstürmen, Aids, Kannibalen bis hin zu abstrakter Kunst ist bei seinen Weltuntergangsphantasien die Rede) erscheinen ihm wie die Befürchtungen eines Mannes, der in Zeitungen lediglich die Überschriften liest und ansonsten seinen eigenen Erfindungen freien Lauf lässt. Auch Greens Äusserungen zu Themen wie Arbeitslosigkeit (chronische Faulheit) und EG (Mischmasch von Parasiten) "dürfte nicht jedermann teilen", wie der Rezensent süffisant anmerkt. Zitzmann räumt allerdings ein, dass die Gedankengänge uralter Menschen für Jüngere oftmals schwer nachzuvollziehen sind. Green war, als er die Tagebücher 1996 abschloß, sechsundneunzig Jahre alt.
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