Uwe Pörksen

Die politische Zunge

Eine kurze Kritik der öffentlichen Rede
Cover: Die politische Zunge
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2002
ISBN 9783608940558
Gebunden, 200 Seiten, 16,00 EUR

Klappentext

Im Bundestag und im Wahlkampf, auf Aktionärsversammlungen und Kongressen, an Gedenktagen und Jahreswechseln: Wir hören sie reden, die Politiker, Bosse, Interessenvertreter. Doch sind nicht heute Begriffe wie Medienpräsenz oder politisches Designwichtiger als der Inhalt einer Rede? Was ist im TV-Zeitalter aus dieser alten Kunst geworden? Und was überhaupt ist eine gute Rede? An berühmten oder signifikanten Beispielen geht Uwe Pörksen diesen Fragen nach: Abraham Lincolns Gettysburg- Rede, Otto Wels' Rede gegen das Ermächtigungsgesetz 1933, Richard von Weizsäckers Gedenkrede zum 40. Jahrestag der Kapitulation.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.12.2002

Der Freiburger Literaturprofessor Uwe Pörksen mache die Politische Rede zu einem Instrument, das es nicht ist, tadelt Rezensent Kersten Knipp. "Eine Rede", so zitiert der Rezensent den Autor, "ist niemals nur eine Präsentation. Wer redet, trifft eine Entscheidung, und sein Wort bewirkt etwas, es ist eine zukunftsoffene Tat". Der Rezensent hält dagegen, die politische Rede käme aus dem "Bannkreis des leeren Worts kaum heraus" und sei in der Praxis nicht mehr als "auffällige Routine" - ein "im voraus berechenbares, in den seltensten Fällen überraschendes Ereignis". Denn die tatsächlichen Hemmnisse politischen Handelns sieht Rezensent Knipp nicht im maglenden Talent zur Rede, eher schon im Lobbyismus. Die "außerpolitischen "Großmächte" spreche Pörksen in den ersten Kapiteln zwar an, doch die Missstände, "die Wissenschaft, Technik, Ökonomie, Medien, die Demoskopie und vor allem die Parteien selbst" in das politische Machtgefüge hineintragen, blieben ohne Einfluss auf die Thesen des Professors. Nach Pörksen sei die Aufgabe der Rhetorik "das Bessere, Vernünftigere herauszufinden". Für den Rezensenten scheitert diese Theorie am Außersprachlichen - "der Interessen- und Machtsicherung".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.11.2002

Die politische Rede hat schon bessere Zeiten erlebt. Ihr Verfall, ihre Überformung durch Wissenschaft, Technik, Ökonomie und Demoskopie sind offensichtlich. Diese Einschätzung bildet den Ausgangspunkt von Uwe Pörksens Kritik der öffentlichen Rede, berichtet Johano Strasser. Wie er ausführt, sieht der Professor für Sprache und ältere Literatur in Freiburg dabei die Gefahr, dass das Politische mehr und mehr an Autonomie verliert. Doch gerade die freie politische Rede ist für ihn der Ort, an dem das Politische am klarsten sichtbar wird, hält Strasser fest. Anhand exemplarischer Reden zeige Pörksen, dass Rhetorik im positiven Fall der Entdeckung politischer Möglichkeiten dient, im negativen der Herstellung eines falschen Scheins. Eine freie politische Rede ist für Pörksen eine Rede, die ohne Rücksicht auf ökonomische und parteipolitische Interessen den Kern des Politischen herausarbeitet, fasst Strasser zusammen. Bei Pörksen stehe die Rhetorik fest im Bündnis mit dem Republikanismus. "Ob eine solche Position heute realistisch ist, mag man bezweifeln", resümiert der Rezensent skeptisch, "an sie zu erinnern ist allemal legitim."
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.10.2002

Ludger Lütkehaus schätzt den Autor, obwohl emeritierter Literaturprofessor für Linguistik und ältere deutsche Literatur, als realitätsnahen Fachmann, der auf keinen Fall als "Kastrat von der sterilen akademischen Fraktion" gelten kann. Auch in seinem neuen Buch, das sich mit dem Verschwinden der politischen Debatte zu Gunsten einer Medialisierung von Politik beschäftigt, zeige sich der Autor als "unverbesserlicher Demokrat". Immerhin weist er in diesem Text auch auf die positive Kraft der Sprache hin, wie der Rezensent erleichtert bemerkt, der grundsätzlich, den "unprätenziösen, wie präzisen" Stil des Autors schätzt. Allerdings steht ihm Pörksen mit diesem Text unter "Idealismusverdacht", und er lastet dem Buch als "Schwäche" an, dass es mitunter in "allzu gutem Glauben" mündet. Dennoch, lobt der Rezensent abschließend, mache der Essay durch seine "Kritik der Schwundstufen" der politischen Auseinandersetzung Lust auf "Politikunverdrossenheit".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.09.2002

Der Essay des emeritierten Sprach- und Literaturwissenschaftlers sei selbst, so Herfried Münkler, eine "große politische Rede für den Nutzen politischer Rede" und damit ein Plädoyer gegen die Imageberater. Jenen scheint zwar die Gunst des Tages hold, aber Pörksen argumentiert mit seinen Beispielen von eingreifenden politischen Reden gegen diesen Eindruck. Münkler bedauert mit dem Autor, dass kaum noch "große, entscheidende Reden" gehalten werden und will ihm fast Recht geben darin, dass hiermit "das Politische" selbst bedroht sei. Aber letztlich findet er nicht überzeugend, dass dies der Grund sein soll für die Politikverdrossenheit der Bürger. Pörksens Rückgriff auf große Reden und ihr Mangel in den letzten Jahren, zeige eben auch, so Münkler, dass "die Zeit politischer Entscheidungsfindung" durch Begriffs- und Situationsklärung vorbei ist.