Andrea Carandini
Die Geburt Roms
Artemis und Winkler Verlag, Düsseldorf - Zürich 2002
ISBN 9783538071292
Gebunden, 894 Seiten, 49,80 EUR
ISBN 9783538071292
Gebunden, 894 Seiten, 49,80 EUR
Klappentext
Aus dem Italienischen von Karl Pichler. "Die Geburt Roms" schildert die Vorgeschichte Roms von 1600 bis zur Stadtgründung durch Romulus im 8. Jahrhundert v. Chr. Andrea Carandini geht von der These aus, dass die authentischen latinischen Mythen über die Frühgeschichte zur Zeit der Tarquinier (Ende 7. bis Ende 6. Jh. v. Chr.) zertrümmert und unter ideologischen Gesichtspunkten neu zusammengefügt wurden. Die Rekonstruktion der originären Mythologie Latiums ermöglicht es, sie als "mitistoria" zu lesen, und es wird so unter Einbeziehung der Ergebnisse der Archäologie die "große Erzählung" über die Vorgeschichte Roms möglich. Mit der Entdeckung der "Mauer des Romulus" am Palatin im Jahr 1988 gelang es Carandini, eine Bresche in die Mauer zu schlagen, die von der Geschichtswissenschaft zwischen Mythos und Geschichte Roms errichtet worden ist. Zugleich dient ihm dieses auf das 8. Jahrhundert zu datierende Bauwerk als Beweis dafür, dass tatsächlich ein Romulus zu diesem Zeitpunkt den Stadtgründungsakt vollzog.
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.12.2002
Auf die Frage, wie Rom entstanden sei, weiß Rezensent Wilfried Nippel, rivalisieren unter den Historikern zwei Antworten: durch Zusammenwachsen oder einen gewalttätig herbeigeführten Zusammenschluss. Andrea Carandini vertrete dagegen in seinem 1997 veröffentlichtem und jetzt übersetztem Buch den Glauben an die Wahrheit der antiken Geschichte: Carandini halte nicht nur Romulus für den tatsächlichen Stadtgründer, sondern schenke den römischen Überlieferungen grundsätzlich Glauben. Der Rezensent hält das nicht für glaubwürdig und die Methode des Autors entlockt ihm nur ein Kopfschütteln. Denn er entledige sich aller "Fesseln der Quellenkritik" und fülle die fast 900 Seiten vor allem mit Spekulationen. Fachleute finden hier vielleicht noch das ein oder andere Detail. "Unerfindlich" findet es der Rezensent, "wer sich über Hunderte von Seiten quälen soll", die voll von verwirrenden Details aus Mythologie und Archäologie seien und auf denen durchgehend gegen die Positionen der modernen Forschung polemisiert werde.
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buecher.deRezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 14.09.2002
Sieben, fünf, drei - Rom kriecht aus dem Ei. Wer kennt sie nicht, diese unsterbliche Schülerweisheit aus dem Geschichtsunterricht? Tatsächlich aber gibt die Gründung Roms der Altertumswissenschaft bis heute schwerste Rätsel auf, stellt Rezensent Stefan Rebenich klar. Jetzt versucht der Archäologe Andrea Carandini auf fast 900 Seiten das Rätsel zu lösen - ein Versuch, der Rebenich nicht überzeugt. Zwar sei das Buch reichlich ambitioniert, "schwer gelehrt" und auch "schwer lesbar", doch Carandinis Methode erscheint dem Rezensenten allzu fragwürdig. Der Archäologe glaubt nämlich, so Rebenich, dass die Erinnerungen einer "oralen Kultur" noch Jahrtausende später in mythographischen Quellen aufzuspüren sind. Und so will er den Mythen Informationen entnehmen, die mit den Ergebnissen archäologischer Grabungen korrespondieren. Doch selbst wenn einzelne Nachrichten der literarischen Tradition einen durch die jahrhundertelange Bearbeitung und Veränderung unbeschädigten "informativen Kern" enthielten, formuliert Rebenich den entscheidenden Einwand gegen Carandini, "so werfen sie bestenfalls ein Schlaglicht auf punktuelle Ereignisse und können nicht als Basis für eine umfassende Rekonstruktion der römischen Frühgeschichte dienen". Ärgerlich findet der Rezensent, dass sich Carandini über derlei methodische Bedenken apodiktisch hinwegsetzt und archäologische mit nicht archäologischen Daten vermischt. Aus dem Mythos wird so Geschichte, kritisiert Rebenich, "genauer: Carandinis Sicht der Geschichte". Eine Sicht, die für den Rezensent einer "Traumreise in Roms Frühzeit" gleicht, der er nicht folgen mag.
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.08.2002
Der italienische Archäologe Carandini hat für Uwe Walter kein ganz
untypisches Wissenschaftsprodukt heutiger Zeit vorgelegt: seine
Frühgeschichte Roms und Latiums stellt in den Augen des Kritikers ein
monomanes Unterfangen dar, das zwar mit vielen klugen Beobachtungen und
Erkenntnissen aufwarten kann, aber "grundverschiedene Diskurse" bedenkenlos
miteinander vermengt und als "große Erzählung" über Roms Vorgeschichte
schlicht misslungen ist. Unbestritten ist für Walter, dass Carandini sich ein
profundes Wissen über jene Zeit und insbesondere über die mythenumwobene
Gründerfigur Romulus angeeignet hat. Um Romulus, dem des Wissenschaftlers ganze
Passion gilt, wie Walter anmerkt, ins rechte Licht zu rücken, hebt
Carandini die Grundunterscheidung zwischen traditioneller Erzählung und
kritischer Historie auf: Dagegen hat Walter zunächst einmal nichts
einzuwenden, moniert aber die sich häufenden "anthropologisch-komparativen
Vergleiche" und die "betäubenden Assoziationskaskaden", mit Hilfe derer
Carandini wissenschaftliche Exaktheit vortäuscht, wo gar keine gesicherten
Daten und Fakten vorliegen. "Immunisierende Passepartout-Argumente" nennt
sie der Kritiker: sie ergeben eine gereinigte und geschönte Version der Siedlungsgeschichte Roms und Latiums.
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